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5 Fragen zur Medienzukunft: Fienes Future Lab wirft mir ein Stöckchen zu

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Im Rahmen des Medientreffpunkt Mitteldeutschland betreut der Radiojournalist und Podcaster Daniel Fiene  im Rahmen ein interessantes Experiment zur Medienzukunft namens  Public Future Lab den Kommunikationsraum „Blogosphäre und Twitter“. Jetzt hat er mir im Vorfeld des Kongresses ein sogenanntes Stöckchen zugeworfen und dabei fünf Fragen gestellt. Dann will ich das Stöckchen mal apportieren 😉

1.) Wie kommunizieren Menschen in Zukunft?

Kommunikation wird immer und überall offline (das nennt man auch weiterhin persönliches Gespräch) oder online über das Internet möglich sein. Die Geräte für den mobilen Internetempfang werden immer kleiner. Künftig muss man sie nicht mehr jedesmal mühselig aus der Hosentasche oder dem Rucksack holen, sondern man trägt das Internet in einer Art Armbanduhr am Handgelenk immer mit sich. Man muss sich auch nicht mehr einwählen, sondern ist in einem riesigen offenen WLAN-Netz immer online. Na ja, jedenfalls in den Städten.

2.) Wo und wie sollen mir Klassische Medien im Netz begegnen?

Am besten überall dort, wo ich sie brauche, also nicht hinter geschlossenen Portalen, sondern zum Beispiel als Widgets mit RSS-Feeds zu auswählbaren Themengebieten, die ich auf meinem Blog oder meinem Facebook-Profil einbinden kann. Wenn meine Nutzer die Meldungen interessant finden und mehr lesen wollen, dann werden sie darauf klicken und landen auf dem Portal des jeweiligen Mediums. Davon profitiert dann wiederum das klassische Medium – vor allem wenn Tausende von Blogs und Nutzerprofilen diese Widgets einbinden. Die New York Times und der Guardian probieren das bereits aus.

Umgekehrt wünsche ich mir von klassischen Medien, dass sie meine Expertise auf dem Gebiet ”digitale Medienzukunft“ und ”Zukunft des Journalismus“ erkennen und zum Beispiel meinen Blogfeed als Widget einbinden, wenn es thematisch passt. Das setzt aber ein grundsätzliches Umdenken bei den klassischen Medien im Netz voraus und liegt ziemlich nahe an dem, was Jeff Jarvis propagiert. Nämlich a) What would Google do? und b) Do what you can do best, and link to the rest.

In diesem Sinne verlinke ich an dieser Stelle zur Wirtschaftswoche, die neulich einen sehr lesenswerten Ausschnitt aus der frisch erschienenen deutschen Ausgabe von Jarvis‘ Buch ”What would Google do“ vorabgedruckt hat. Was ich von Medien im Netz künftig NICHT erwarte, habe ich ja hier schon mal gebloggt: „Das Klickvieh-Gehege“.

3.) Wer gewinnt mein Vertrauen?

Nobody is perfect: Klassische Medien gewinnen mein Vertrauen, wenn sie offen zu Fehlern stehen und diese korrigieren und zwar transparent auf bllotypischeWeise blogtypische Weise oder – besser noch – ihre Webtexte in Versionen wie bei Wikipedia anlegen. Das heißt nicht, dass jeder Nutzer daran herumdoktern darf, aber man kann als Leser nachvollziehen, warum wer was geändert hat. Manche Medien könnten mein Vertrauen aber nur dadurch gewinnen, dass sie sich abschaffen, allen voran „Bild“.

Blogger und Podcaster sind ein anderer Fall: Jeder nach seiner Fasson. Ich lese aber am liebsten Blogs, die entweder sehr originell sind – mein Lieblingsblog in dieser Kategorie ist das leider viel zu selten aktualisierte bullshit science – oder nach journalistischen Kriterien gestaltete Blogs und Podcasts. Also solche Blogger und Podcaster, die korrekt recherchieren, zitieren, verlinken, und die gut und lesbar schreiben können.

4.) Welche Chancen hat Qualitätsjournalismus im Netz?

Hoffentlich gute – ich habe nämlich keine Lust, meinen Traumberuf zu wechseln. Aber ich glaube, wir werden in den nächsten Jahren hunderte von kreativen Experimenten sehen, aus denen sich dann hoffentlich auch einige gute Geschäftsmodelle herauskristallisieren werden. Auch hierzu ein Lektüre-Tipp als Link: Geschäftsmodelle für Online-Journalismus. Das ist auch der Topp-Tipp in meinen heutigen Medienlinks zum Wochenstart.

5.) Wann brauche ich verlässliche Information?

Das ist eine seltsame Frage. Die Antwort lautet: natürlich immer. Egal, ob ich einen Bericht in der Zeitung lese, eine Adresse bei Google Maps nachschaue, einen Artikel bei eBay ersteigere, oder einen Blick auf den Busfahrplan werfe. Oder warst Du schon mal in einer Situation, in der Du gerne eine unzuverlässige Information bekommen hättest….

Statistisches Bundesamt und die Offliner

Nachtrag zum Eintrag von gestern: In einer Meldung von heute kommt das Statistische Bundesamt zu ganz anderen Zahlen als British American Tobacco:

” …Auch der Anteil der Personen, die das Internet privat jeden Tag oder fast jeden Tag
nutzten, ist von 46% im Jahr 2003 auf 66% im Jahr 2008 deutlich
angestiegen….“

Das klingt doch gleich ganz anders.

BAT und die Offliner

Nicht sehr zukunftsorientiert liest sich, was die ”Stiftung für Zukunftsfragen“ des Zigarettenkonzerns British American Tobacco (BAT) – wissenschaftlicher Leiter ist der Zukunftsforscher Horst W. Opaschowski
– vor einigen Tagen veröffentlichte. Demnach gehen nur 42 Prozent der Deutschen ab 14 Jahre regelmäßig privat ins Internet, 58 Prozent tun das weniger als einmal wöchentlich oder nie. Nur 29 Prozent der 14- bis 29-Jährigen sind zuhause seltener als mindestens einmal in der Woche im Netz.

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Bei den Älteren sieht es richtig finster aus: Von den über 55-Jährigen outen sich nämlich 83 Prozent keineswegs als Silver Surfer, sondern als Netzverweigerer. Zumindest sind sie nicht wöchentlich im Web. Daraus schließt Opaschowski: „Ich bin dann mal web – oder auch nicht. (…) Alles braucht seine Zeit – die Zukunft der Informationsgesellschaft auch: Die euphorische Prognose der Medienbranche ‚Web frisst Fernsehen’ kann weiterhin auf den St. Nimmerleinstag verschoben werden.“
Nun wissen wir aus anderen Studien wie der ”ARD/ZDF Onlinestudie“ oder auch der ”Mediascope Europe“ der European Interactive Advertising Association (EIAA), dass die digitale Alterskluft zwischen Onlinern und Nonlinern derzeit rund fünf Jahre über dem Pensionierungsalter liegt. Der Grund: Wer beruflich noch mit dem Internet in Kontakt gekommen ist, der nutzt das Natz wahrscheinlich auch als Rentner im Privatleben. Wer auch am Arbeitsplatz niemals im Web war – oder gar nicht erst gelernt hat, mit dem PC umzugehen – der wird sich später auch privat wohl nicht mehr damit befassen. Auf Nachfrage macht das BAT dann auch genauere Altersangaben: 68 Prozent der 50- bis 64-Jährigen surfen nur gelegentlich oder niemals zuhause, aber 87 Prozent der 65- bis 79-Jährigen.

Fazit: Das Web wird Fernsehen nicht am Sankt Nimmerleinstag verdrängen, sondern spätestens dann, wenn die heutige Generation 65+ größtenteils unter der Erde liegt.

Absurd wird es bei der zweiten Abbildung:

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73 Prozent ALLER Befragten – und nicht nur der vorher definierten Internetnutzer – schreiben Emails und 64 Prozent surfen im Web. Das ist erstaunlich bei nur 42 Prozent Internetnutzer. Oder zählen hier die Gelegenheitssurfer plötzlich mit?

Die Studie wurde übrigens nicht von der TV-Industrie in Auftrag gegeben, sondern von BAT selbst. Offenbar mit dem Ziel, sich einfach mal wieder ins Gespräch zu bringen.