5 Gründe, warum Turis Twitter-Werbung ein Irrweg ist

Wenn sich der Medienbranchendienst turi2 mit seinen vorgestern gestarteten Werbe-Tweets für 250 Euro pro Update nur mal ins Gespräch bringen wollte, dann ist ihm das gelungen. Meedia kalkuliert, Don Dahlmann kritisiert, und massenpublikum zeigt Verständnis. Und dass Kritiker massenhaft auf ”unfollow“ geklickt hätten, ist bisher nicht festzustellen. Im Gegenteil: Unmittelbar vor dem ersten Werbetweet hatte @turi2  2371 Follower, heute mittag waren es 2438.

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Und für die allerersten Kunden der turi-Werbetweets dürfte die 250 Euro ebenfalls gut angelegtes Mediageld sein. Denn jeder Twitterer aus der Medien, Web- und Mediabranche dürfte wohl zumindest mal rübergeklickt haben, was Turi da treibt. Insofern liegt der TKP (der Preis um 1000 Werbekontakte zu erreichen) zumindest für die ersten zwei, drei Werbetweets sicherlich nicht, wie meedia schreibt, bei 2,27 Euro pro Buchstabe oder 10 Cent pro Follower, sondern wohl erheblich darunter. Der genaue Preis der Medienkontakte lässt sich ohnehin nicht bestimmen, da es keinen Weg gibt, festzuzustellen, wieviele Menschen einen bestimmten Tweet tatsächlich gesehen haben.

Gut oder nachhaltig finde ich diesen Versuch, mit Twitter Geld zu verdienen, dennoch nicht, allerdings aus anderen Gründen, als den bei meedia und Dahlmann sowie in vielen Kommentaren genannten Punkten.

  1. Mit Werbetweets untergräbt turi2 seine Glaubwürdigkeit. Es ist ein Unterschied, ob klar gekennzeichnete Anzeigen auf einer Webseite oder einem Blog zu sehen sind, oder mitten im Twitter-Stream eine distanzlose Bertelsmann-Lobmeldung erscheint, die sich optisch in nichts außer dem kleinen Wort ”Anzeige“ von redaktionellen turi2-Tweets unterscheidet.
  2. ”Irgendwie muss Twitter ja Geld verdienen“, heißt es in bemerkenswert vielen Blogkommentaren. Was für ein Trugschluss! Mit dieser Art von Werbung verdient nicht Twitter, sondern Turi. Es gibt gute Gründe dafür, dass Twitter seit Monaten über ein geeignetes Geschäftsmodell nachdenkt – und viele Twitter-User sich ebenfalls für Twitter die Köpfe darüber zerbrechen. Die plumpeste Art Geld zu verdienen – einfach Werbetweets verkaufen – hat Twitter dabei stets verworfen, weil das den Wert des Dienstes für die Gemeinschaft mindert. Dass Peter Turi – der ebenso wie alle anderen dank Twitter eines kostenfreien Kommunikationskanals bedienen darf –  diesen Kanal jetzt benutzt, um  Tweets zu verkaufen, ist nicht schlau, sondern höchstens bauernschlau.
  3. Wenn diese Art von Werbe-Tweets Schule macht, wird Twitter darauf aufmerksam werden und Gegenmaßnahmen ergreifen – beispielsweise durch Einrichtung eines Buttons, mit dem man die betreffenden Accounts wie Spam-Accounts ausschließen kann.
  4. Wenn diese Art von Werbe-Tweets Schule macht und Twitter nicht darauf reagiert, werden die Nutzer nicht nur per ”unfollow“, sondern auch per ”block“ Gegenmaßnahmen ergreifen – jedenfalls die für Werbekunden besonders attraktiven Vielnutzer und Multiplikatoren.
  5. Und am wichtigsten: Wofür bezahlen Unternehmen eigentlich ihren Social-Media-Beratern viel Geld für ausgefeilte Kommunikationskonzepte im Social Web (”Wir müssen die Nutzer engagieren“, ”Dialog auf Augenhöhe“, ”authentisch sein“, “bloß kein old-school Push-Marketing“), wenn ihnen dann doch nichts Besseres einfällt, als genau wie vor zehn Jahren langweilige und nichtssagende Werbebotschaften herauszublasen. Und wofür bezahlen sie dafür auch noch einen Vermittler, obwohl sie auch selbst einen kostenlosen Account einrichten könnten?

Immerhin: die heutige turi2-Werbung greift das Spiel bereits ironisch auf:

turi-textanzeige

Ich halte das für ein Zeichen, das Turi seine Twitterwerbung mehr als Gag denn als Geschäftsmodell gemeint hat.

23 Antworten zu “5 Gründe, warum Turis Twitter-Werbung ein Irrweg ist

  1. Hans Bayartz

    Ich stimme Ihnen zu:
    Turi wäre gut beraten, werbefrei zu bleiben!

  2. Ich habe twitter für eine Plattform gehalten, wo ich erfahren kann, was meine Bekannte und Follwer, Followings für interessant halten: Bilder, Artikel, weiß-ich-was-noch. Alles zeigte für mich keinen kommerziellen Charakter, da ich eben so viel Kommerz um mich herum habe, dass es manchmal anstrengend ist. Ich meide Seiten, wo Werbung im Vordergrund steht, dasselbe versuche ich auf meiner Seite auch zu meinen. Natürlich sollen Unternehmen präsent sein, aber eben nicht billig und unerwünscht erscheinen. Man kann Werbung mit großem Stil machen und verbreiten, ohne dabei den schlechten Eindruck zu wecken. Und eine Anzeige sollte immer als solche gekennzeichnet werden.

  3. Pingback: 5 Gründe, warum Turis Twitter-Werbung ein Irrweg ist « Twitter @ Information-Source-Online.Com

  4. Ich glaube, was Punkt 3 angeht, irrst du dich. Twitter-Mitbegründer Biz Stone hat gerade in Bezug auf Firmen, die für Twitter-Werbung Geld kassieren gesagt, dass sie mit ihnen zusammenarbeiten wollen und diese nicht als Konkurrenz sehen.

    http://online.wsj.com/article/SB123793945676332341.html

  5. Inge Seibel

    Du schreibst: „Der genaue Preis der Medienkontakte lässt sich ohnehin nicht bestimmen, da es keinen Weg gibt, festzustellen, wieviele Menschen einen bestimmten Tweet tatsächlich gesehen haben.“ Aber es gibt doch einen Weg, um festzustellen, wieviele Menschen diesen Tweet zumindest angeklickt haben, so lange Turi 2 den URL-Kürzungsdienst „arm.in“ benutzt. Bei http://www.arm.in wird das Statistik-Tool mit angeboten: „You can easily access the statistics to every arminized link by adding „/stats“ at the end of a link. “ Demnach hatte Turis erster Werbelink bis heute 16 Uhr 130 Klicks. Die 2. Werbeanzeiges cheint etwas erfolgreicher zu laufen, da sie bereits mit 94 Klicks dem einigeTage älteren Tweet dicht auf den Fersen ist. Alles in allem also eine Klickrate, die noch unter den Erwartungen der Kalkulation von Meedia liegt, oder?

  6. Schöner Beitrag und gut analysiert. Die Punkte 1-4 lassen aber schon erkennen, dass „klassische“ Werbung im Web 2.0 und auch bei Twitter NICHT funktioniert – und das hier wenn überhaupt nur PR im Sinne von interessengeleiteter Information und dem „Werben um Aufmerksamkeit und Vertrauen“ funktionieren kann (= Deutsches Verständnis von PR, wie etwa der größte deutsche Kommunikationsverband Deutsche Public Relations Gesellschaft (DPRG) es versteht // – vs. dem anglo-amerikanischen Marketing-Verständnis von Public Relations).

    Auch dem Kommentar „Und eine Anzeige sollte immer als solche gekennzeichnet werden.“ stimme ich – insbesondere als Öffentlichkeitsarbeiter – rigoros zu. Wenn klar ist, wer welche Inhalte twittert, bleibt es jedem selbst überlassen, wem er folgt, über wen er bloggt – und wen er blockt. Die Medienkompetenz im Web 2.0 / mit den Social Media und Twitter muss halt auch erarbeitet werden; das kann man niemanden abnehmen.

    Ganz entscheidend und herz- wie hirnerfrischend ist aber Ihr Punkt 5.: „Und am wichtigsten: Wofür bezahlen Unternehmen eigentlich ihren Social-Media-Beratern viel Geld für ausgefeilte Kommunikationskonzepte im Social Web (”Wir müssen die Nutzer engagieren”, ”Dialog auf Augenhöhe”, ”authentisch sein”, “bloß kein old-school Push-Marketing”), wenn ihnen dann doch nichts Besseres einfällt, als genau wie vor zehn Jahren langweilige und nichtssagende Werbebotschaften herauszublasen. Und wofür bezahlen sie dafür auch noch einen Vermittler, obwohl sie auch selbst einen kostenlosen Account einrichten könnten?“
    => DAS frage ich mich auch – allerdings nicht nur bei den Social-Media-Beratern, sondern auch bei den klassischen Werbern (und die haben – leider – nach meinem Empfinden auch im Web 2.0 noch kommunikative Sagen….). Solange die digitale Kommunikation im Marketing – und nicht in der Unternehmenskommunikation angesiedelt und organisiert ist, und solange die Spendings zu den klassischen („interactive“) Werbeagenturen wandern und nicht zu den (Online-) PR-Agenturen, kann & wird noch so Einiges schief gehen (ich spreche da aus Erfahrung, wie aufmerksame http://www.twitter.com/Immonet Follower & Kritiker wissen 😉

    Aber immerhin mal wieder ein schöner Medien-Disput. Viel Erfolg & hoffentlich viele weitere schöne Postings!

    Daniel Görs aka @Immonet, @Goers, @DPRG

  7. @Caro Danke für den Hinweis auf WSJ. Den Beitrag kannte ich noch nicht. In den bisherigen Berichten war keine Rede davon, dass Twitter Exec Tweets befürwortet. Dann frage ich mich allerdings, wie sie im weltweiten Netzwerk kontrollieren wollen, welche Accounts sie wegen Revenue Share aus Werbe-Tweets ansprechen sollten…

    @Hans Bayartz und Daniel Görs: Danke!

  8. Zu 1: Warum nur soll sich Werbung im Blog von Werbung in Twitter unterscheiden? Das Prinzip bleibt identisch: Ein Werbekunde will eine Botschaft senden. Hier unterscheidet sich nur der Kanal. Warum das nun unsere Glaubwürdigkeit gefährdet, erschließt sich mir nicht ansatzweise.

    Zu 2: Klar bedienen wir uns eines kostenfreien Kommunikationskanals. Aber diesen mit Medien-News in Echtzeit zu füttern, kostet Zeit und damit Geld für Redakteure. So rum darf man’s gern auch mal betrachten. 😉

    Zu 3: Da bin ich gespannt, kann’s mir aber kaum vorstellen. Schon Jeff Jarvis sagt: Schaffe eine Plattform, auf der Andere erfolgreich sein können. Twitter gelingt das gerade glänzend.

    Zu 4: Herrje, allen aufgeregten Followern bleibt doch die Wahl, uns zu verfolgen oder eben nicht. Lasst den Leuten doch einfach ihre Freiheit. Sie werden sie schon zu nutzen wissen.

    Zu Punkt 5: Man mag’s kaum glauben, doch es gibt auch heute noch massenhaft Firmen ohne teure Social-Media-Berater. 😉

    Beste Grüße vom turi2-Team

  9. Pingback: Werbung via Twitter: die Büchse der Pandora ist geöffnet | Basic Thinking Blog

  10. @Peter Schwierz

    zu Ihrem Punkt 1: Weil es Werbung mitten im Twitter-Stream ist. Wenn Sie die Debatte um ein mögliches Geschäftsmodell für Twitter in den letzten Monaten verfolgt haben: Diese Art Werbefinanzierung wurde immer wieder als ”No Go“ bezeichnet, als das Letzte, was Twitter tun sollte. Und jetzt machen es andere.

    zu Ihrem Punkt 2: Fürs Twittern werden wir alle nicht bezahlt. Doch wenn alle, die viel Zeit in diesen Kanal stecken, diese durch bezahlte Webe-Tweets finanzieren wollen, dann geht Twitter den Bach runter. Ihre Rechnung geht also nur auf, solange das Modell möglichst wenig Nachahmer findet.

    zu Ihrem Punkt 3: Da bin ich mir inzwischen selbst nicht mehr sicher, nachdem ich den Beitrag im WSJ gelesen habe. Der mich allerding sehr verwundert – s. meine Antwort an @Caro

    zu Ihrem Punkt 3: So lange @turi2 im Verhältnis von mindestens 20 zu 1 echten Mehrwert bietet, glaube ich auch nicht, dass Sie einen Einbruch zu befürchten haben. Aber ich befürchte, dass es eine Menge Nachahmer geben wird, die die Stellschraube Mehrwert/Werbung dann doch mehr in Richtung Kassieren für Tweets drehen werden. Und dafür dann vielleicht nur 5 oder 3 Euro pro Tweet nehmen. Mit Ihren Werbe-Tweets verkaufen Sie sich ja gottseidank nicht unter Wert. Aber ich sehe schon ein Trigami für Twitter in naher Zukunft entstehen: Bezahltes Twittern für Minibeträge.

    zu 4: Man muss nicht aufgeregt sein, um etwas zu kritisieren. Das geht auch ganz ruhig.

    zu 5: Touché

  11. @Inge Seibel Das ist richtig. Trotzdem kann man die Clickrate nicht ermitteln, denn dazu müsste man das Verhältnis von wahrgenommener Werbung zu angeklickter Werbung kennen, und den ersten Faktor kann man nicht berechnen. Außerdem glaube ich, dass momentan der Neugierfaktor beim Clicken eine große Rolle spielt.

  12. Ich sehe Punkt 5 auch als den „Killerfaktor“: Warum Geld für das Twittern über die Kanäle Dritter ausgeben, wenn man selbst (kostenlos) twittern kann?

    Eine Ausnahme sehe ich aber doch: Im Einzelfall mag es sinnvoll sein, über einen anderen Twitterer zu gehen, wenn dieser sich eine sehr spezielle Zuhörerschaft aufgebaut hat, die man nur selten selbst ansprechen will.

    Die Königsdisziplin im Web 2.0 bleibt freilich das Empfehlungsmarketing. Es ist allemal besser, Peter Turi berichtet über mich, als dass ich bei ihm gegen Geld einen Tweet kaufe!

  13. Auf Twitter gibt es keinen Spam, nur Leute die ich lesen will. Und ich persönlich möchte keine Werbung.

  14. Je mehr ich hier lese, desto mehr habe ich das Gefühl, dass hier jemand einfach nicht zuende gedacht hat.

    Wenn Twitter Werbung als „No Go“ ansieht, oder die User von Twitter, dann ist das doch was „komplett“ anderes, als wenn ein User von Twitter Werbung macht!

    Nochmal:
    Wordpress schaltet in seinen Blogs auch keine Werbung und trotzdem stört es niemanden mehr, dass die User Werbung schalten.
    Jeder der ein Blog lesen will, der abonniert den Feed und gut ist. Wenn ihm die Art des Blogs nicht mehr gefällt, oder die Werbung stört, dann liest er einfach nicht mehr den Feed.

    Dieses Prinzip ist so einfach und simpel wie das Prinzip des „followen“ bei Twitter.

    Turi lässt sich für seine Leistung (qualitative Tweets für seine Follower) nun dadurch bezahlen, dass er eben Werbung macht.

    So funktionieren alle Formen der Werbung.

    Ein Fernsehspot kostet Geld.
    Ein Fernsehspot kostet mehr Geld, wenn ich auf einem Sender oder zu einer Zeit buche, in der eben mehr Zuschauer zuschauen.

    Und genau deshalb kann Turi das machen!

    Wenn jetzt Herr Mustermann mit 5 Followern anfängt, bezahlte Tweets anzubieten, wird einfach niemand dafür bezahlen.

    Und denjenigen, denen das nicht passt mit den bezahlten Tweets, die unfollowen.

  15. Als ob Turi die Twitter-Werbung erfunden hätte. Seit wann gibt es http://be-a-magpie.com? Ich hab vor mindestens einem Jahr schon davon gehört.
    Wenn Turi meint, seine zusammenkopierten Nachrichten mit ein bisschen Werbung anreichern zu müssen, lassen wir ihn doch einfach. Und wer von Turi im Allgemeinen und Werbung im Speziellen genervt ist, kann ihm ja unfollowen. Ich hab’s probiert, geht ganz einfach 😉
    Ein Geschäftsmodell für Twitter hat er damit sicher nicht erfunden.

  16. Pingback: Die t3n-Links zum Wochenende am 27.03.2009 » t3n Magazin

  17. @bernd
    schön, dass wenigsten einer die bottom line gefunden hat…

    😉

  18. Pingback: » Lesetipps für den 28. März, Blogpiloten.de - das Beste aus Blogs, Videos, Musik und Web 2.0

  19. „Mit Werbetweets untergräbt turi2 seine Glaubwürdigkeit. „

    Seine was? 😉

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